War Goethe ein Mandarin? – Zur Aktualität eines deutschen Klassikers in China

Konfuzius-Institut München - 212. Jour Fixe: Dr. Manfred Osten

Goethes Horizont war weit; und reichte bis nach China. Bereits 1813 schrieb er an seinen Freund Knebel, er wolle sich „dieses wichtige Land“ aufsparen, „um sich dorthin im Falle der Not zu flüchten“. Tatsächlich begann Goethe 1827 in seinem Gedichtzyklus “Chinesisch-deutsche Jahres- und Tageszeiten; eine geistige Reise nach Fernost“ und stellte sich dort als „Mandarin“ vor: als Vertreter einer chinesischen Bildungselite, in bewusster Abgrenzung zu dem, was er als europäische „Verzwergung in Richtung Mittelmäßigkeit“ empfand. Was bedeutet dieser geistige Auswanderungsgedanke heute? Und wie ist die aktuelle Relevanz von Goethes China-Bild zu verstehen – insbesondere im Licht der von Deng Xiaoping eingeleiteten meritokratisch-orientierten Bildungsrevolution und Chinas daraus resultierenden Aufstieg in der neuen multipolaren Weltordnung? Diesen Fragen widmet sich Dr. Manfred Osten, ehemaliger Diplomat und Generalsekretär der Humboldtstiftung mit langjähriger Fernosterfahrung. Sein Vortrag schlägt die Brücke von Goethes Denken zur gegenwärtigen weltpolitischen Lage, und fragt, wie sich die wachsende Goethe-Rezeption in China im Kontext dieser Entwicklungen einordnen lässt.